Begleitung am Lebensabend

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Abschied nehmen in vertrauter Umgebung

[4.1.2005]
Sonne durchflutet den in sommerlichen Farben gestrichenen Raum. Links von ihrer Kommode steht ein hölzernes Schaukelpferd. Diese Idylle hat sich Frau Stein* ihr Leben lang gewünscht. Heute blickt sie ihrem Lebensabend entgegen. Dabei verspürt sie eine gewisse Seelenruhe und Zufriedenheit über die Vergangenheit und die Gegenwart. „Diesen Weg habe ich nicht alleine beschritten“, sagt die 86jährige Haslacherin. Bei diesen Worten schenkt sie ihrer ehrenamtlichen Betreuerin vom Caritasverband Wolfach-Kinzigtal ein strahlendes Lächeln. Frau Stein, die an Lungenkrebs leidet, wird bereits seit sechs Monaten begleitet. „Vor einem halben Jahr“, erinnert sie sich, „haben meine Familie und ich den Wunsch geäußert, auf eine intensive medizinische Betreuung im Krankenhaus zu verzichten." Frau Stein wird von ihren Angehörigen betreut. Unterstützung im pflegerischen Bereich erfahren sie vom Pflegedienst.

Auf Anraten des Pflegedienstes und der Ärzte haben sich Frau Stein und ihre Angehörigen an Herrn Klaus Allgaier vom Caritasverband Wolfach-Kinzigtal gewandt. Herr Allgaier ist der Leiter der Informations-, Anlauf- und Vermittlungsstelle (IAV) für die Pflege und Versorgung im Kinzigtal. Zu seinen Aufgaben gehört es u.a., Besuchs- und Hospizdienste zu organisieren. Er ist somit die erste Person, die Kontakt zu Hilfesuchenden aufnimmt und anschließend einen ehrenamtlichen Mitarbeiter an die Familie vermittelt. „Die ambulante Hospizarbeit verlangt ein hohes Maß an Sensibilität," weiß Klaus Allgaier. „Unsere Mitarbeiter kommen als „Fremde" in eine Familie und müssen sich dort in die Strukturen, Erwartungen und Eigenheiten einfühlen und anpassen."

28 ehrenamtliche Mitarbeiter kann Herr Allgaier benennen. Diese teilen sich auf in drei Gruppen: Gruppe Wolfach / Hornberg, Raumschaft Haslach und Raumschaft Zell. Die jüngsten sind zwischen 30 und 35, die ältesten befinden sich im Ruhestand. Dabei kommen die Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufen und bringen nur selten spezielle Erfahrungen mit. Der Caritasverband schult seine ehrenamtlichen Mitarbeiter und eröffnet ihnen die Möglichkeit, sich regelmäßig (alle sechs Wochen) zum Erfahrungsaustausch zu treffen, um die Belastungen dieses Tabuthemas zu mindern.

Der Hospizdienst stellt in einer Hinsicht ein Gegenstück zu den etablierten pflegerischen und ärztlichen Diensten dar. Er kann sich Zeit nehmen und wirkt somit wie ein ruhender Pol, von dem nicht nur Sterbende, sondern insbesondere auch Angehörige Kraft schöpfen können. Begleitung erfolgt in Form von Gesprächen oder einfach durch die Anwesenheit eines verlässlichen Menschen. Angehörige können zudem zeitlich entlastet werden. „Wichtig ist aber“, betont Klaus Allgaier, „dass wir lernen, nichts tun zu können." Der Hospizdienst kann nur versuchen, die individuellen Wünsche und Bedürfnisse von schwerkranken oder sterbenden Menschen zu erfüllen.

Sterbebegleitung ist nicht nur die Aufgabe eines Hospizdienstes, sondern sollte in jedem Altenheim einen festen Platz einnehmen. Ein Menschenleben, das in seiner ganzen Schönheit vollendet wird, darf nicht von einem Augenblick auf den anderen erlöschen wie eine Kerze. Die Flamme muss auch noch nach dem Tod eines Menschen in uns weiterleuchten können. So lebt es das Haus Maria Frieden in Oberharmersbach vor, in dem noch Tage nach dem Tod eine Kerze am Sterbebett leuchtet und ein körpergroßer Lebensbaum zum Andenken an den Verstorbenen mit seinem Namen geschmückt wird.

*Name von der Redaktion geändert

Text und Foto: Inga Bronowski

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