[30.11.2021]
Ortenau. Eine zweite gutachterliche Stellungnahme hat ergeben, dass die Feuerwehr Achern bei einem Brand in einem Chemikalienlager im August 2014 richtig gehandelt hat.
Um die Ausbreitung von Gefahrstoff zu vermeiden, hatte die Feuerwehr ein PFC-haltiges Schaummittel verwendet, welches teilweise in die unversiegelte Fläche vor der brennenden Halle eindrang. Als Untere Wasser- und Bodenschutzbehörde hat das Landratsamt zu prüfen, wer für die Sanierung des verunreinigten Bodens und Grundwassers und die damit verbundenen Kosten in Höhe von 750.000 Euro heranzuziehen ist.
Im Jahr 2020 wurde in diesem Zusammenhang unter Rücksprache mit dem Umweltministerium vom Landratsamt bereits ein erstes Gutachten beauftragt. Das Gutachten, in das, wie sich allerdings nachträglich herausstelle, nicht die vollständige Dokumentation der Feuerwehr einfloss, wertete den Einsatz des umweltschädlichen Löschmittels als unverhältnismäßig. Dies mündete in einer öffentlichen Debatte darüber, ob der Einsatz des Löschmittels im konkreten Brandfall angebracht war und über die Verantwortlichkeit von Feuerwehrleuten im Allgemeinen. Das Landratsamt Ortenaukreis stellte am Montag im Rahmen eines Pressegesprächs die Ergebnisse der zweiten gutachterlichen Stellungnahme vor.
Anders als das erste Gutachten kam der ebenfalls vom Ortenaukreis in Abstimmung mit dem Umweltministerium beauftragte Professor für Security und Safety Engineering an der Hochschule Furtwangen, Ernst-Peter Döbbeling, zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Feuerwehr Achern sachgemäß gehandelt hat.
„Unter Berücksichtigung aller Umstände des Feuerwehreinsatzes bei der Bekämpfung des Vollbrandes eines Sammellagers für Laborchemikalien unterschiedlichster Art stellt der Einsatz des Polyfluorierten Schaummittels kein pflichtwidriges Verhalten dar. Die Feuerwehr hat gemäß den Empfehlungen zum Einsatz eines solchen Schaummittels, entsprechend den Begebenheiten vor Ort und im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs gehandelt“, so der Gutachter.
„Ich bin froh, dass der unabhängige Experte in seiner sachlich fundierten Stellungnahme zu dem eindeutigen Ergebnis kommt, dass die Feuerwehr Achern nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat. Dies rückt die wertvolle Arbeit der vielen Ortenauer Feuerwehrmänner und -frauen wieder ins richtige Licht“, so Nikolas Stoermer, Erster Landesbeamter des Ortenaukreises und Dezernent für Kommunales, Gewerbeaufsicht und Umwelt.
Es sei nicht vertretbar, dass die Feuerwehr unberechtigt in Haftung genommen wird. „Daher war es richtig und wichtig, dass sich Kreis und Umweltministerium darauf geeinigt haben, die gutachterliche Prüfung zur vollständigen Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts nochmals neu aufzurollen“, so Stoermer weiter.
In seiner Stellungnahme geht Döbbeling dezidiert auf die Begebenheiten vor Ort ein. Danach habe die Feuerwehr während des Einsatzes von 9.400 Kilogramm Lagergut mit 5.000 Kilogramm verschiedenen Laborchemikalien ausgehen müssen. Insofern habe es sich um einen „außergewöhnlichen“ Einsatz gehandelt, da neben der eigentlichen Brandbekämpfung auch eine Gefährdung durch Gefahrstoffausbreitung bestanden hätte.
Zunächst habe man versucht, den Brand mittels PFC-freier Löschmittel unter Kontrolle zu bringen. Die Ausbreitung des Brandes auf die benachbarte Lagerhalle sei auf diese Weise auch erfolgreich verhindert worden. Der Brand habe dadurch aber nicht gelöscht werden können. Wegen der weiterhin anhaltenden, gelblich eingefärbten Rauchentwicklung habe man von einer erheblichen Gefährdung der Umgebung, insbesondere durch Immissionen von Brand- und Zersetzungsprodukten, ausgehen müssen.
Der kombinierte Pulver-Schaum-Einsatz sei in dieser Situation unter den an der Einsatzstelle vorhandenen Löschmittelalternativen die bestmögliche und erfolgversprechendste Alternative gewesen, um den Brand tatsächlich zu löschen und die Gefahrenlage zu beseitigen.
„Darüber hinaus entsprachen der Einsatzverlauf und die Einsatzmaßnahmen den vom Feuerwehrgesetz und den allgemeinen Regeln der Einsatztaktik geforderten Schutzmaßstäben“, so Döbbeling. Maßnahmen zum Gewässerschutz, zum Auffangen des kontaminierten Löschwassers und zum Schutz der Bevölkerung seien durchgeführt worden.
Nicht zuletzt sei bei der Bewertung der wissenschaftliche und fachliche Kenntnisstand im Jahr 2014 heranzuziehen, wonach anders als zum aktuellen Zeitpunkt die damals neuen Polyfluorierten Schaummittel als umweltfreundlichere Alternative zu Perfluorierten Schaummittel galten. Erst in den Folgejahren habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch diese in gleicher Weise grundwassergefährdend wie die Vorgänger seien.
Landesbranddirektor Thomas Egelhaaf, der im Verfahren ebenfalls beteiligt wurde, ergänzte im Pressegespräch: „Maßgeblich ist die Bewertung, ob die Auswahl des Schaummittels verhältnismäßig war; viele Jahre nach dem Einsatz ist dies sehr schwierig. Für die fast 1.100 Gemeindefeuerwehren in Baden-Württemberg ist eine sachliche und faktenorientierte Aufarbeitung aber wichtig. Das jetzt vorgestellte Gutachten hilft dabei. Rechtliche Unklarheiten schaffen sonst Unsicherheiten bei Führungskräften.“