Seit September 2022 berät Stephanie Fritsch vom Amt für Landwirtschaft im Landratsamt Ortenaukreis Landwirte beim Obstanbau. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Biodiversitätsberatung. „Es geht darum, Obstanlagen so zu gestalten, dass sie zum einen qualitativ und quantitativ hohen Ertrag abwerfen und gleichzeitig Lebensraum für verschiedenste Insekten, Vögel, Kleinsäuger und Pflanzenarten bieten“, erklärt die Expertin, die an der Universität Hohenheim Agrarwissenschaften studiert hat.
Ihr Auftrag resultiert aus dem im Juli 2020 in Kraft getretenen Biodiversitätsstärkungsgesetz, dem ein intensiver Dialog zwischen Naturschutz und Landwirtschaft vorausging und das ambitionierte Ziele für die biologische Vielfalt im Land enthält. Außerdem ist das Ziel „Stärkung der Biodiversität“ im kürzlich vorgestellten Klimaschutzplan des Ortenaukreises enthalten. „Unsere Landwirtinnen und Landwirte sind sich bewusst, dass sie einen entscheidenden Anteil am Schutz und an der Erhaltung der Biodiversität im Kreis und damit auch eine große Verantwortung haben“, so Fritsch. „Viele engagieren sich bereits etwa mit dem Einsatz biotechnischer Verfahren alternativ zur chemischen Schaderregerbekämpfung oder der Einsaat mehrjähriger Blühmischungen.
So wie die Obstbauern Andreas Riehle aus Ortenberg und Daniel Allgeier aus Fautenbach. Beide vermarkten ihr Obst über den Obstgroßmarkt Mittelbaden in Oberkirch, der Kooperationspartner von PRO-PLANET ist, einem Projekt der REWE Group, des NABU e. V., der Bodenseestiftung und BirdLife Österreich. Ziel des Projekts ist die Steigerung der biologischen Vielfalt in Obstanlagen und die Etablierung einer guten fachlichen Praxis im Bereich Biodiversität in der Landwirtschaft.
Beraten von Obstbauberaterin Fritsch und Franz Panter vom NABU Bühl/ Achern pflanzte Riehle Anfang März entlang seiner Apfelanlage eine 300 Meter lange Hecke aus gebietsheimischen Wildgehölzen. Die Pflanzen hatte das PRO-PLANET-Apfelprojekt zur Verfügung gestellt.
„Heckenstrukturen bieten ein großes Potential zur ökologischen Aufwertung von Obstanlagen. Kornelkirsche, Weide, Haselnuss, Wildrose und Co. erweitern das Nahrungsangebot für Insekten vor und nach der Obstblüte, bieten Nistmöglichkeiten und Nahrung für Vögel, sowie Rückzugs- und Überwinterungsmöglichkeit für Kleinsäuger wie etwa Igel und Mauswiesel“, so die Biodiversitätsberaterin. Mit der Pflanzung der Hecke allein ist es laut Fritsch aber nicht getan. Besonders in den ersten beiden Jahren müssten die Pflanzen regelmäßig ausgemäht und bei Trockenheit gegossen werden, damit schnell ein lückenloser Bestand entsteht. Um den hohen naturschutzfachlichen Wert der Hecke zu erhalten, müsse sie von Zeit zu Zeit ausgelichtet und zurückgeschnitten werden.
Die Begrünung der Fahrgassen seiner im Winter neu angepflanzten ein Hektar großen Zwetschgenanlage ist das Projekt des Obstbauern Daniel Allgeier. Beraten von der Expertin des Landratsamts säte er die Anlage kürzlich statt mit dem sonst üblichen Mulchrasen mit einer artenreichen Mischung aus gebietsheimischen Gräsern und Kräutern ein. Das zertifizierte gebietseigene Saatgut hatte wiederum das PRO-PLANET-Biodiversitätsprojekt zur Verfügung gestellt.
„Auch ein vielfältiger blühender Unterwuchs bietet ein großes Potential zur ökologischen Aufwertung von Obstanlagen“, betont die Biodiversitätsberaterin. „Schafgarbe, weißes Labkraut, Braunelle, Ferkelkraut, Hornklee, rauer Löwenzahn und Co. erweitern das Nahrungsangebot für Insekten vor und nach der Obstblüte“. Das Vorkommen von Wildbienen wird dadurch laut Fritsch gezielt gefördert: „Ihre Bestäubungsleistung ist für einen guten Fruchtansatz wichtig, insbesondere wenn es während der Blüte kühl und nass ist wie in diesem Jahr. Auch Nützlinge wie etwa Schwebfliegen finden im blühenden Unterwuchs Lebensraum. Ihre Larven sind bedeutende Blattlausräuber, die erwachsenen Tiere ernähren sich aber von Pollen und Nektar.“
Mit der Aussaat einer Saatgutmischung allein ist es laut Fritsch aber nicht getan. Für eine erfolgreiche Etablierung einer artenreichen Begrünung sei zunächst eine gründliche Saatbettvorbereitung notwendig. Darüber hinaus sei gebietsheimisches zertifiziertes Saatgut sehr teuer. „Ein höherer Bewuchs in der Fahrgasse bietet nicht nur gute Deckung für Nützlinge, sondern auch Unterschlupf für Feld- und Schermäuse. Entsprechend ist auf ein angepasstes Nagermanagement zu achten“, so die Beraterin. „Der Erfolg der Maßnahme fängt mit einem Umdenken in Sachen „Ordnung auf der Fläche“ an“, erklärt Fritsch. „Blühstrukturen dürfen nicht so oft geschnitten werden, sonst bleiben nur Gras und dominante Kräuter übrig. Am besten mulcht man nicht zu tief und alternierend, das heißt im Abstand von vier bis sechs Wochen nur jede zweite Fahrgasse, damit immer blühender Unterwuchs vorhanden ist.“
Den zusätzlichen Herausforderungen und der Mehr-Arbeit stellen sich Riehle und Allgeier gerne, denn nachhaltige Wirtschaftsweise gehört für die Obstbauern ohnehin zum Selbstverständnis: „Wir setzen unsere Ressourcen seit Generationen so ein, dass sie nachwachsen, damit auch Folgegenerationen erfolgreich weiter auf unserem Land wirtschaften können. Darüber hinaus freuen wir uns einfach am Vogelgesang und wenn alles summt und brummt.“ Zudem halte die Vielfalt an Lebewesen das Ökosystem Obstanlage auf biologische Weise widerstandsfähiger gegenüber Schaderregern.
Es wäre schön, so die beiden Obstbauern abschließend, wenn die Kunden die hohen Umweltstandards in der heimischen Obstproduktion sehen und die Landwirte durch den Einkauf regionaler Erzeugnisse unterstützen würden.