Foto: Geiger

[18.04.2023]
Hausach (vg). Schon eine Stunde vor Konzertbeginn deutete sich an, daß diese Veranstaltung etwas aus dem gewohnten Rahmen fallen würde. Ein nicht endenwollender Zustrom von erwartungsfrohen Tangofreunden sorgte für die vorzeitige Belegung alle Plätze im Raum und so musste der Veranstalter Dutzende Neuankömmlinge bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn schweren Herzens wieder nach Hause schicken. Zu Beginn des Abends boten die Musiker den Gästen an, Tango zu tanzen, was im Publikum angesichts der offensichtlichen Platznot einige Heiterkeit auslöste.

Obwohl die Musiker aus verschiedenen Städten und Ländern kamen und sich zum ersten Mal ohne vorheriges Proben zum gemeinsamen Spiel trafen, fühlte es sich an, als wären sie eine eingeschworene Band. Die üblichen gemeinsamen Proben waren auch nicht erforderlich. Tango ist eine Musik der Gefühle, der Emotionen, der Leidenschaft und der Improvisation, für die der klassische Rahmen zu eng scheint.

Der bekannte Sänger Omar Fernandez kam zum Konzert aus Stockholm. Rodolfo Paccapelo (Kontrabass), geboren in der Welthauptstadt des Tangos Buenos Aires, und Christian Gerber (Bandoneon) kamen aus Berlin nach Hausach. Javier Fernandez (Klavier) ist gebürtiger Argentinier und kam aus der Schweiz angereist.

Die Glücklichen, die Karten ergattert hatten, tauchten ein in die musikalische Atmosphäre der heißen argentinischen Städte und durften sehr bald hautnah die kraftvolle Energie des argentinischen Tangos von seinen klassischen bis zu seinen modernen Inkarnationen spüren.

Das Quartett erfreute die Zuhörer mit einem anspruchsvollen und abwechslungsreichen Repertoire, darunter viele bekannte Stücke. Kenner im Publikum erkannten sofort „Oblivion“ von Astor Piazzolla. Es ist einer seiner traditionellsten Tangos, weniger jazzig als einige seiner anderen weit verbreiteten Kompositionen, sich auszeichnend durch harmonische Eleganz und zarte Traurigkeit. Obwohl man glaubt, das Stück bereits hundertmal gehört zu haben, berührt es einen jedes Mal aufs Neue und fesselt einen mit seiner schmerzhaften, alles verzehrenden und beinahe unerträglich schönen Sehnsuchtsmelodie.

Der Tango ist voller Geschichten und Legenden, in denen sich echte Begebenheiten mit solchen abwechseln, die der menschlichen Fantasie entsprungen sind. Eines der besten Beispiele dafür ist der Malena Tango. Auch wenn es seit Jahrzehnten ein Rätsel ist, welcher geheimnisvollen Frau dieser Tango gewidmet sein mag, ist das Fehlen jeglichen Hinweises kein Hindernis, sich dieser bezaubernden Musik ganz hinzugeben.

Die virtuosen Vollblutmusiker spielten auch den Tango „Por una Cabeza“, der durch den Film „Der Duft der Frauen“ mit Al Pacino weltberühmt wurde. Mit seiner magischen Stimme zeigte der Sänger in diesem Stück die heiße Essenz des Tangos, das innere Feuer, das man spürt, das brennt, ein Impuls und eine Energie, die vergeht und wieder aufbricht, die den Raum zerreißt und den Geist in schwelender Spannung hält.

Besonders erwähnenswert ist ein deutsches „Findelkind mit argentinischem Herzen“. Viele im Publikum hörten das Bandoneon zum ersten Mal in ihrem Leben live. Dieses Musikinstrument, das für den Gottesdienst in Deutschland erfunden wurde, konnte im 19. Jahrhundert die Herzen der Deutschen nicht erobern. Das „musikalische Findelkind“ wurde damals von einem deutschen Seemann nach Buenos Aires gebracht – und passte perfekt in die junge, wagemutige Kultur, die in den Slums der Emigrantenviertel entstand. Der durchdringende Klang des deutschen Bandoneons passte perfekt zu den Melodien des argentinischen Tangos – kein anderes Instrument hatte eine vergleichbare Wirkung.

Der Bandoneonspieler Christian Gerber, während des gesamten Konzertes unermüdlich wie ein Storch auf einem Bein stehend, legte sich mächtig ins Zeug und spielte mit unglaublicher Energie in geradezu frappierenden Vollendung- Spitzenklasse ohne Wenn und Aber.

Alle Kompositionen des Quartetts klangen temperamentvoll, mit viel Schwung und anhaltender Energie in jeder Note und stets bereit, die für den Tango so typische musikalische Leidenschaft gleich einem Vulkanausbruch freien Lauf zu lassen. Zum Abschluss des Konzerts spielten die Musiker „La Cumparsita“, das vielleicht berühmtesten Musikstück des Tango-Genres. Wer diese Komposition einmal gehört hat, wird sie nie wieder vergessen; ihre ergreifende, dramatische Melodie ist leicht wiederzuerkennen und unverwechselbar.

Schließlich ließ das Publikum die hochkarätigen Musiker erst nach minutenlangem Applaus und zwei Zugaben nur ungern wieder gehen.

Gewidmet war das Konzert dem im vergangenen Sommer verstorbenen Vorsitzenden des Vereins Mostmaierhof, Werner Hafner. Ursprünglich war es seine Idee, in diesem Kulturzentrum einen einmaligen Abend mit argentinischer Tangomusik zu veranstalten. Sein Wunsch wurde auf die bestmögliche Weise erfüllt.

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