[3.10.2004]
Kinzigtal. Auch im Kinzigtal wird am Sonntag traditionell an vielen Orten das Erntedankfest gefeiert. Die Freude über ein gutes Erntejahr in der Landwirtschaft wird jedoch überschattet durch einen ruinösen Preisdruck bei den Agrarprodukten, darauf verweist Werner Räpple, der Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) in einer Pressemitteilung.
Die Erzeugerpreise für Getreide, Fleisch, Milch, Obst und Gemüse deckten oft nicht einmal die Gestehungskosten. Bäuerliche Familien gerieten damit in eine immer stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit von unverzichtbaren staatlichen Ausgleichszahlungen. Folge seien wachsende Antrags- und Dokumentationspflichten und ein stetiger Rechtfertigungszwang gegenüber der Gesellschaft. Er zeigte sich besorgt über den fortwährenden Preiskampf der Handelsketten um Marktanteile im Lebensmittelbereich.
Die stetige Abwertung von Lebensmitteln gegenüber Konsumausgaben verändert nach Einschätzung von Werner Räpple in beängstigender Weise das gesellschaftliche Werte-Empfinden. Es stimme nachdenklich, wenn die Kosten der Entsorgung von Hausmüll höher sind als die Erlöse, die der Erzeuger für die gleiche Menge Getreide am Markt erzielt.
Auf der Strecke blieben nicht allein bäuerliche Betriebe, sondern auch eine gepflegte und vielfältige Kulturlandschaft als Voraussetzung für attraktive ländliche Räume und einen florierenden Tourismus. Mit einer bundesweiten Kampagne „Lebensmittel sind mehr wert“, so Räpple, verfolge der Berufsstand das Ziel, heimische Lebensmittel auf der Werteskala der Verbraucher vor Urlaub und Konsum zu stellen.
Politik und Öffentlichkeit müssten an ihre Mitverantwortung für eine leistungs- und wettbewerbsfähige Landwirtschaft sowie eine intakte Kulturlandschaft in Deutschland erinnert werden. Es gehe nicht an, dass der heimischen Landwirtschaft durch die jüngsten Haushaltsbeschlüsse des Bundes die EU-weit höchste Agrardiesel-Steuerlast aufgebärdet werde, während Agrargüter aus aller Welt mit steuerfreiem Flugbenzin zollfrei importiert werden können. Das widerspreche dem erklärten politischen Ziel der Nachhaltigkeit und mache die heimische Landwirtschaft im europäischen Wettbewerb chancenlos.
Mit Hinweis auf den zeitgleich zum Erntedanktag stattfindenden „Tag der deutschen Einheit“ erinnerte der BLHV-Präsident an die Folgen der „Wende“ für die heimische Landwirtschaft. Der Wettbewerbsdruck auf familienbäuerliche Betriebe habe erheblich zugenommen. Die Liberalisierung der Agrarmärkte erhöhe den Wettbewerbsdruck besonders auf Betriebe in strukturell und standörtlichen Ungunstlagen. Landwirte seien deshalb gerade hier auf staatliche Ausgleichszahlungen für die seit Jahren vorgenommenen Preissenkungen sowie zur Sicherung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung angewiesen. Die wechselhaften Ereignisse des Jahres 2004 sowie die Sorgen und Hoffnungen bäuerlicher Familien in Baden wird der BLHV in einer gemeinsam mit dem evangelischen Landesbischof Dr. Ulrich Fischer und dem Südwestrundfunk gestalteten öffentlichen Erntedankveranstaltung mit Gottesdienst und Podiumsgespräch am Sonntag, 3. Oktober um 14 Uhr auf dem Betrieb Günter Franz in Willstätt zum Ausdruck bringen.
Text und Foto: Anke Bauer