Wer prügelt fliegt raus…

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[04.4.2006]
Die Polizei hat im vergangenen Jahr bei 8.966 Einsätzen wegen häuslicher Gewalt 2.968 Platzverweise erteilt, so viele wie nie zuvor. „Die Rote Karte ist zur Bekämpfung von Gewalt im sozialen Nahraum sehr wichtig“, sagten Frauenbeauftragte des Landes Staatssekretärin Johanna Lichy und Innenminister Heribert Rech bei der Veröffentlichung der Zahlen aus dem Jahr 2005 am Montag, 3. April 2006, in Stuttgart. Eine weitere Variante der Gewalt im sozialen Nahraum sei Stalking, die fortgesetzte Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung einer anderen Person gegen ihren Willen. „Stalking ist ein höchst perfides Täterverhalten mit kriminellen Elementen.


Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Gesetzesinitiative des Bundesrats, dafür einen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch zu schaffen, damit die Polizei Stalker stärker verfolgen und die Opfer besser schützen kann“, betonten Minister Heribert Rech und Staatssekretärin Johanna Lichy. Im vergangenen Jahr seien außerdem 927 Stalking-Fälle angezeigt worden.

Die Polizei greife bei häuslicher Gewalt zum Schutz der Opfer konsequent durch. Dies belege die Anzahl der Platzverweise, die von Jahr zu Jahr zunehme (2002: 1.738, 2003: 2.129, 2004: 2.559), während die Zahl der registrierten Polizeieinsätze zurückgehe (2002: 10.641, 2003:10.486, 2004: 9.122 Einsätze). Mit der Roten Karte für häusliche Gewalttäter setze der Staat das klare Signal, dass Gewalt auch hinter der Wohnungstür nicht geduldet und gegen die Täter konsequent vorgegangen werde.

In den schwierigen Situationen, in denen sich meistens Frauen und Kinder befänden, sorge die Polizei rund um die Uhr dafür, dass den Opfern beim Ausstieg aus dem Gewaltkreislauf geholfen werden könne. „Nach dem Verursacherprinzip muss der Täter und nicht das Opfer die Wohnung verlassen“, so der Innenminister.

Die nochmals gestiegene Anzahl der Platzverweise spiegle die wachsende Sensibilität der Gesellschaft auf Gewalt im sozialen Nahraum und die höhere Anzeigebereitschaft wider. Damit werde deutlich, dass es durch konsequente polizeiliche Intervention sowie mit Beratungs- und Hilfsangeboten verstärkt gelinge, das Dunkelfeld weiter aufzuhellen.

„Häusliche Gewalt muss ohne Tabu öffentlich thematisiert werden“, betonte Staatssekretärin Johanna Lichy. Ein gutes Beispiel, wie man das Thema in die Öffentlichkeit trage, sei die vom 8. – 15. März im Stuttgarter Hauptbahnhof gezeigte Ausstellung „Rosenstraße 76“ gewesen. Dort sei in einer begehbaren Dreizimmer-Wohnung sehr eindrucksvoll über Ursachen, Formen, Ausmaß und Auswirkungen häuslicher Gewalt informiert worden.

„Wir werden weiterhin konsequent gegen häusliche Gewalt vorgehen“, so der Innenminister. Angesichts der oft schweren körperlichen und seelischen Schäden, unter denen die Opfer vielfach jahrelang litten, gebe es keinen Grund, hier nachsichtig zu sein. Der Tatverdächtige erhalte in der Regel ein vierzehntägiges Hausverbot und dürfe während der Dauer des Platzverweises nicht in seine Wohnung zurückkehren.

Die Polizei gehe mit dem Platzverweisverfahren differenziert und verantwortungsvoll um. „Allerdings kann sie Konflikte in Paarbeziehungen nicht lösen, sondern Gewalt lediglich unterbrechen und Schutz in der akuten Krisensituation geben“, sagte Rech. Um Gewalt im häuslichen Bereich dauerhaft zu beenden und den Betroffenen auch langfristig konkrete Perspektiven für ein künftig gewaltfreies Leben zu eröffnen, sei eine frühzeitige und ganzheitlich ausgerichtete gemeinsame Intervention von Polizei, Ordnungsamt, sozialen Diensten, Jugendamt, Beratungsstellen, Ärzten und Staatsanwaltschaft notwendig.

Deshalb bestehe das Platzverweisverfahren aus vier Elementen. Zusätzlich zum polizeilichen Platzverweis komme es vor allem auf die effektive Beratung der Betroffenen an. Wichtig sei aber auch die konsequente Strafverfolgung. Den Tätern müsse durch das Strafverfahren klar signalisiert werden, dass ihr Handeln strafbar ist und sie selbst die Verantwortung tragen müssten.

Vierter Baustein des Platzverweisverfahrens sei der schnelle zivilrechtliche Schutz auf Antrag der Opfer. „Vor allem die enge Vernetzung dieser Maßnahmen und die gute Kooperation der mitwirkenden Institutionen und Einrichtungen sind ein wesentlicher Garant für den Erfolg“, so die Staatssekretärin.

Laut Rech werde der Polizei bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt einiges abverlangt. Oft sei Alkohol im Spiel, die Stimmung aufgeheizt und es drohe weitere Gewalt. Häufig seien die Beamten in der Gefahr, bei der Schlichtung selbst „zwischen die Fronten“ zu geraten. Wichtig sei es, sensibel und opferorientiert zu handeln sowie über entsprechende Hilfsangebote und Kooperationspartner zu informieren. Besonderes Augenmerk müsse dabei auf die Kinder gelegt werden, denn für Kinder seien familiäre Gewalterfahrungen stets traumatische Erlebnisse, unter denen sie viele Jahre zu leiden hätten.

Zudem sei unter Kriminologen unstrittig, dass Kinder, die Gewalt in der Familie als Mittel zur Konfliktlösung kennen gelernt hätten, als Erwachsene später häufig selbst versuchten, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Diese Gewaltkreisläufe gelte es zu durchbrechen. Staatssekretärin Johanna Lichy: „Wer Gewalt in der Gesellschaft bekämpfen will, muss in der Familie ansetzen. Hier nicht zu handeln, heißt zuzusehen, wie der Grundstein für die nächste Täter- und Opfergeneration gelegt wird.“

Innenminister Rech betonte, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten in ihrer Aus- und Fortbildung intensiv mit dem Thema häusliche Gewalt vertraut gemacht würden. Als weiteren Baustein habe das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) unter dem Titel „Nah dran“ einen Film zum Thema Opferschutz für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte erstellt.

In diesem werde auch ein Fall häuslicher Gewalt dargestellt, bei dem es zum polizeilichen Platzverweis komme. Der Film sei über die Landeskriminalämter innerhalb der Polizei bundesweit in einer Stückzahl von über 4.000 Exemplaren verteilt worden und diene dazu, das polizeiliche Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt weiter zu verbessern und weiter für die Thematik zu sensibilisieren.

Auch bei Stalking sei es wichtig, dass die Polizei die Opfer nicht alleine lasse. Innenminister Rech: „Schnelles und konsequentes Einschreiten signalisiert diesen Tätern eindeutig, dass gegen sie vorgegangen wird, wenn sie nicht davon ablassen, ihre Opfer zu belästigen oder zu terrorisieren.“ Potenzielle Täter ließen sich durch die Polizei beeindrucken. In etlichen Fällen würden sie ihren Plan aufgeben, wenn sie wüssten, dass die Polizei schnell und konsequent einschreite und aufkeimende Gewalt schon im Ansatz unterbinde.

Straftaten mit Stalking-Bezug würden in den polizeilichen Auskunftssystemen in Baden-Württemberg seit Oktober 2004 gesondert gekennzeichnet. Seitdem seien bislang fast 1.300 solcher Straftaten registriert worden, 927 davon alleine im Jahr 2005. Insgesamt sei aber mit einem hohen Dunkelfeld zu rechnen.

Viele Opfer scheuten sich nach wie vor, in entsprechenden Fällen zur Polizei zu gehen, da sie die Angelegenheit zunächst selbst regeln wollten. „Wenden Sie sich an die Polizei und erstatten Sie Anzeige gegen den Stalker“, appellierte Rech. Mit Blick auf den zu erwartenden eigenen Straftatbestand zu Stalking sei er zuversichtlich, dass die polizeiliche Intervention dann noch effektiver erfolgen könne.

Zusatzinformationen:

Die Kriminalprävention der Polizei hat ein bundesweites Merkblatt „Stalking-Opfer“ mit konkreten Tipps zum richtigen Verhalten erarbeitet. Es ist bei den Polizeidienststellen und im Internet unter www.polizei-beratung.de/mediathek/merkblaetter/ zu bekommen.

Weitere Informationen zum Thema häusliche Gewalt gibt es im Internet unter www.innenministerium.baden-wuerttemberg.de – Rubrik Polizei/Erfolgreiche Prävention/Platzverweis für häusliche Gewalttäter sowie unter www.sozialministerium-bw.de (Rubrik Gewalt gegen Frauen/Platzverweis).

Quelle: Innenministerium